Als einer der ersten Flüchtlinge kam Mahmoud Zayat Ende 2015 aus Syrien nach Drensteinfurt. Während er zunächst in der Turnhalle in Walstedde Fuß in Deutschland fasste, drehten sich seine Gedanken Tag und Nacht um seine Frau und seine vier Kinder.
Er musste damals seine Familie in der vom Krieg zerstörten Stadt Aleppo zurücklassen. Seit Ende des Jahres 2017 ist die Familie gesund und glücklich wieder vereint. Wie viele Telefongespräche zwischen Deutschland und Syrien hin und her gingen, wie viele Sorgen und Tränen die monatelange Trennung gekostet hat, wissen wohl nur die Betroffenen. Das am Ende alles gut ging, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Umstand, den alle Beteiligten mit großer Dankbarkeit betrachten.
"Helft mir, Frau und Kinder nach Deutschland zu holen." Unzählige Male bat der 45-jährige Syrier jeden, der auf die eine oder andere Art mit ihm in Kontakt kam, sei es als ehrenamtlicher Helfer der Caritas, des deutsch-ausländischen Freundeskreises (DAF) oder der Stadt: „Helft mir, Frau und Kinder nach Deutschland zu holen.“ Ein Ansinnen, ebenso selbstverständlich wie zu Herzen gehend. Doch der Nachzug der Familie brauchte Zeit. Mahmoud Zayat nutzte diese, um die Sprache zu lernen und in Deutschland heimisch zu werden. Im August 2016 zog er von Walstedde in die Feuerwache nach Drensteinfurt. Sein Anliegen nahm er mit.
Der DAF machte ihm klar: „Frau und Kinder müssen in die Türkei fliehen.“ Im Oktober gelingt ihnen das Vorhaben. Mahmouds Schwester, die bereits in der Türkei in der Stadt Yildirim in der Provinz Bursa wohnt, hilft, für die Familie eine Wohnung zu finden. Ein Meilenstein für den Syrer, ist doch die Familie zunächst in Sicherheit, raus aus der täglichen Bedrohung durch Bombenangriffe. Mitte Dezember 2016 wird Mahmoud Zayat die Flüchtlingseigenschaft anerkannt, nur einen Monat später stellt er den Antrag auf Familienzusammenführung. Im März 2017 zieht er mit dem Syrer Barho Issa in eine Wohnung in der Wagenfeldstraße, für beide ein weiterer Schritt in die Normalität. Für ihn zählt jeder Tag.
Im Mai bekommt Familie Zayat in Izmir einen Termin bei der deutschen Botschaft. Es folgt ein umständlicher bürokratischer Akt, der durch das Fehlen des deutschen Ausweises des Vaters, dessen Ausstellung über Gebühr lange dauert, deutlich verzögert wird. Erst im Juli trifft der Ausweis ein und kann nach Izmir geschickt werden. Im August werden sämtliche Papiere von der deutschen Botschaft zwecks Prüfung nach Ahlen zur Ausländerbehörde geschickt. Bedingt durch die Urlaubszeit zieht sich der Vorgang bis zum Oktober hin, erst dann kann die Familie ihre Visa abholen. Für den Familienvater ist die deutsche Bürokratie unverständlich, er versteht die vielen Verzögerungen nicht, für ihn zählt jeder Tag, der den Zeitraum der Trennung unnötig verlängert.
Auch die Helfer stoßen an ihre Grenzen, immer wieder müssen sie vertrösten und Hoffnung machen. Mit dem Visum gibt die Familie ihre Fingerabdrücke im Rathaus der Stadt Yildirim in der Türkei ab, erhält die Ausreiseformulare, Unterschriften werden gegeben und dann endlich kommt die ersehnte Ausreise. Am Ende wäre alles fast an fehlendem Wohnraum gescheitert, hätte nicht Zayats Mitbewohner, der Kinderarzt Barho Issa, auf seinen Platz verzichtet. Issa absolvierte zu diesem Zeitpunkt eine Qualifikationsmaßnahme in Heidelberg. Am 24. Oktober erleben Eltern und Kinder ihr persönliches Wunder. Am Flughafen in Düsseldorf können sie sich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder in die Arme schließen. „Das war so überwältigend, dass mir die Tränen gekommen sind“, erinnert sich Karin Müller vom DAF, die Mahmoud Zayats Bemühungen um Familienzusammenführung unterstützt und begleitet hat und ihn schließlich auch gemeinsam mit Bernd Schweppe, einem weiteren ehrenamtlichen Helfer beim DAF, zum Flughafen brachte.
Schon nach wenigen Monaten in Deutschland haben sich die Kinder gut eingelebt. Lujain (15) besucht die Teamschule, Joudi (8) und Sana (9) gehen zur Grundschule. Die beiden jüngeren Mädchen nahm die neunjährige, ebenfalls aus Syrien stammende Klassenkameradin Hala unter ihre Fittiche. Beide fühlen sich wohl und von den Klassen gut aufgenommen. Mohammed (16) geht für drei Tage in der Woche aufs Berufskolleg in Beckum. „Seine Lehrerin ist begeistert von seinen Fortschritten“, berichtet Karin Müller. Zusätzlich erhält er von Bernd Schweppe einmal pro Woche Deutschunterricht. Ehefrau Haifaa Khatib (44), die in Syrien als Hebamme gearbeitet hat, ist einfach nur glücklich, dass jetzt alle wieder zusammen sind und dazu in einem Land, in dem sie in Sicherheit leben können. Und der Kinderarzt Barho Issa? Für den fand der DAF zum 1. Dezember eine Ein-Personen-Wohnung direkt neben Familie Zayat. Syrische Freunde renovierten die Wohnung, da sich Barho noch in Heidelberg aufhielt. Am 20. Dezember konnte er einziehen. Jetzt wartet er auf eine Prüfung bei der Bezirksregierung in Stuttgart. Hat er diese absolviert, kann er sich auf eine Hospitationsstelle in den umliegenden Krankenhäusern bewerben.
Und was sagt Mahmoud Zayat heute? Abgesehen von seinem Strahlen versichert er: „Ich habe nie die Hoffnung aufgegeben, meine Familie wiederzusehen. Deutschland ist ein Land, das Flüchtlingen hilft und dafür bin ich sehr dankbar.“
Copyright: Mechthild Wiesrecker; Westfälischer Anzeiger 08.01.2018
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